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Kulturstrategie 2025- Ein Interview

Interview mit Frau Dr. Martina Taubenberger aus dem Lausitz Magazin (4/2019)

Damit weiche Standortfaktoren bei der Strukturentwicklung nicht zu kurz kommen, lässt die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH über seine Zukunftswerkstatt derzeit eine Kulturstrategie 2025 erarbeiten. Die liegt in den erfahrenen Händen der Münchner Kulturmanagerin Martina Taubenberger. Mit ihrem Blick von außen zeigt sie vor allem die Stärken einer Region im Wandel auf. In der neuen Ausgabe des Lausitz-Magazins steht sie Rede und Antwort.

„Sie erarbeiten für die WRL eine Kulturstrategie 2025. Warum braucht die Lausitz eine solche Strategie?
Mal unabhängig von der Lausitz, ist es für den Kulturbereich immer gut, in regelmäßigen Abständen strategische Überlegungen anzustellen. Diese können als Grundlage für politische Diskussionen und der Selbstreflexion und Evaluation dienen. Dass eine so große Region wie die Lausitz eine Kulturstrategie erarbeitet, ist schon ungewöhnlich und löst auch Diskussionen aus. Ich halte den Prozess in der aktuellen Situation in jedem Fall für sinnvoll, damit die Region den Anschluss nicht verliert und zukunftsfähig bleibt. Wenn über die weitere Entwicklung einer Region diskutiert wird, geht das nicht, ohne Kultur mitzudenken. Kultur ist ein Schlüsselbereich für ein mögliches Leitbild.

Sie haben bisher 62 Fokusgespräche geführt und zwei Workshops begleitet. Was bewegt die Kulturschaffenden in der Region am meisten?
Ich glaube die Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung und dem Außenbild ist ein Schmerz, der viele vereint. Die negative Darstellung, die von den Medien aber auch von bestimmten politischen Kräften forciert wird, steht im Widerspruch zu dem, was es an kulturellem Reichtum und positiver Entwicklung gibt. Das zweite große Thema ist die Landesgrenze. Die unterschiedlichen Strukturen und bürokratische Hürden abzuschaffen, ist ein Wunsch vieler.

Und wo liegen die Stärken des Lausitzer Kulturlebens?
Das ist zum einen der große Gestaltungswille der Akteure, das sind die Erfahrungen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die Bewältigung von Veränderungsprozessen. Die Lausitz verfügt weiterhin über viel Freiraum und damit Gestaltungsspielraum, über außergewöhnlich gut aufgestellte Kulturbereiche und ein großes bürgerschaftliches Engagement. Eine weitere Besonderheit ist das Zusammenspiel aus Industrie-, Landschafts- und Gartenkultur. Das sorbische Volk ist ein Alleinstellungsmerkmal und eine Stärke, die man sogar noch besser herausarbeiten könnte.

Woran denken Sie da konkret?
Zum einen geht es darum, Modellprojekte zu identifizieren, die einen Austausch zwischen den Sorben und der Mehrheitsbevölkerung befördern. Die Sorben fühlen sich häufig auf ihre Bräuche reduziert. Dabei steckt in der Lausitz so viel mehr Sorbisches, was vielen gar nicht bewusst ist. Ein offeneres Aufeinanderzugehen würde hier helfen. Und den Sorben selbst ist natürlich die Zweisprachigkeit wichtig. Es geht darum, diese nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch hörbar.

Gibt es weitere Herausforderungen für die Kulturarbeit?
Da steht an erster Stelle sicher die fehlende Wertschätzung und die mangelnde Verankerung in Politik und Verwaltung. Auch die Infrastruktur und die Professionalität bei der Vermarktung und der Servicequalität sind an einigen Stellen ausbaubar. Hier braucht es mehr Ressourcen, Qualifizierung und Synergien.

Welches Potenzial hat die Kultur als Wirtschaftsmotor, auch vor dem Hintergrund des Strukturwandels?
Zuerst sehe ich da das touristische Potenzial, aus dem Kulturbereich kommt ein Großteil der touristischen Angebote. Das zweite ist die Rolle der Kultur als Arbeitsmarkt. Das dritte sind die weichen Standortfaktoren, die man gar nicht überschätzen kann, gerade mit Blick auf die Fachkräftesuche. Denn alle wollen in kulturell lebendigen Regionen leben. Zudem beschäftigt sich die Kultur- und Kreativwirtschaft mit Zukunftstechnologien, bemüht sich um kreative Bewältigung des Wandels, entwickelt kreative Nutzungskonzepte für Leerstand. Die meist kleinen, dynamischen Unternehmen verjüngen die Region und schaffen eine lebendige Szene. 

Sie haben bereits für viele Regionen in Deutschland Kulturkonzepte erarbeitet. Was kann die Lausitz von anderen Regionen lernen und welche Vorzüge hat die Lausitz im Vergleich zu anderen Regionen?
Grundsätzlich denke ich, dass man immer voneinander lernen kann und den Austausch mit anderen Regionen suchen sollte. Im Vergleich zu anderen Regionen hat die Lausitz eine einzigartige Geschichte: die Verbindung aus Industrie- und Migrationsgeschichte, die Grenzlage, die vielfältige Überlagerung von kulturellen Identitäten. 

Aber ist denn die fehlende gemeinsame Identität nicht gerade eine Herausforderung für die Lausitz als Ganzes?
Identität lässt sich nicht von außen überstülpen. Identität gibt es nur im Entwurf und sie muss mit der Zeit wachsen. Wenn man schaut, was die Region verbindet, findet man einiges: Migrationsgeschichte und eine sehr turbulente Geschichte mit vielen Grenzverschiebungen. Das sorbische Volk ist ebenfalls ein verbindendes Element. Ich finde es durchaus legitim, sich als Niederlausitzer oder Oberlausitzer zu sehen und trotzdem nach Gemeinsamkeiten der gesamten Region zu suchen. Das was viele eher als Schwäche wahrnehmen, dass man nicht weiß, wohin man gehört, empfinde ich als Reichtum. Ebenso die Kontraste in der Architektur und Landschaft. Da könnte die Lausitz von anderen selbstbewussteren Regionen lernen, stolz zu sein, auf das was sie hat. Die Lausitz darf ruhig ein bisschen mehr angeben, mit dem was sie hat.

Sie sind in Bayern zu Hause. Was wussten Sie vorher von der Lausitz?
Ich hatte vorher keinen Bezug zur Lausitz, worüber ich mich im Nachhinein selbst ein wenig wundere. Ich kannte zwar durchaus Pückler oder Krabat, aber ohne den Bezug zur Lausitz herzustellen. Vielleicht hat das auch etwas mit der schlechten Außenkommunikation zu tun. Natürlich gibt es hier Probleme, wie Leerstand und Investitionsstau. Aber ich sehe auch jede Menge Potenzial. Und mittlerweile konnte ich schon viele Freunde mit meiner Begeisterung anstecken, die jetzt ebenfalls die Lausitz kennenlernen wollen.“

Dr. Martina Taubenberger begleitet als Kulturmanagerin Projekte in ganz Deutschland und im europäischen Ausland. Parallel lehrt sie als Gastdozentin an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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